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Jahr der Kirchenmusik 2012

Orgel steht mitten in der Wohnung

Ein Lebenstraum mit 116 Registern. Der Kantor der Wicherngemeinde Gießen besitzt die größte Orgel Hessens. Statt in der Kirche steht sie bei ihm zuhause.

Patrick StrickerKantor KleinKantor Klein freut sich über seinen verwirklichten Traum - eine eigene Orgel im eigenen Haus.

„Jeder Organist träumt davon, irgendwann im Leben die Orgel spielen zu können, von der er immer geschwärmt hat.“ Michael Klein hat sich diesen Traum vor Kurzem erfüllt. Der Kantor der Wicherngemeinde in Gießen hat sich seine eigene Orgel gegönnt – und die ist zugleich die größte Orgel in ganz Hessen. Allerdings steht das Instrument nicht in der Wichernkirche in Gießen, sondern bei Klein zu Hause in Rechtenbach bei Wetzlar. Einfach so im Arbeitszimmer.

Kleins Orgel hat ein Register mehr als der Frankfurter Dom

Der Clou an der Sache: Kleins Orgel hat keine einzige Pfeife, die Töne kommen aus mehreren Lautsprecherboxen. In der Orgel steckt ein Computer, auf dem die Töne gespeichert sind und per Tastendruck abgerufen werden. Aber: Entscheidend ist die Anzahl der Register, die für den Klang der Töne verantwortlich sind. Kleins Orgel hat 116 von diesen Registern – und damit exakt eine mehr als die im Frankfurter Dom.

An der Entwicklung des Instrumentes war Kantor Klein mitbeteiligt

„Wenn mein persönliches Ideal in einer Kirchengemeinde verwirklicht würde, dann müsste die Gemeinde ganz schön tief in die Tasche greifen“, sagt Klein und lächelt dabei. Deswegen hat er kurzerhand sein eigenes Sparschwein geschlachtet und den Preis für einen Mittelklassewagen in eine Digitalorgel investiert. Weil er bei der Entwicklung des Instrumentes mitgeholfen hat, gab‘s sogar ein bisschen Rabatt. Für Klein war das kein Problem – schließlich ist er Fachmann. Mit 14 Jahren saß er zum ersten Mal an einer Orgel, später studierte er Kirchenmusik und war Praktikant bei einer Orgelbaufirma.

Eigenes Haus an den Anforderungen der Orgel ausgerichtet

„Für die Möbelpacker war das ein ziemlicher großer Aufwand“, erinnert sich Klein an den Aufbau der Orgel zurück. Sein Glück: Schon beim Bau des Hauses hat er daran gedacht, irgendwann mal ein so großes Instrument zu besitzen. „Der Architekt hatte die Vorgabe, dass ein Klavier oder ein Orgelspieltisch unter‘s Dach passen muss“, sagt Klein. „Das hat gut funktioniert. Als wir die Einzelteile des Instrumentes ins Haus getragen haben, sind wir nicht angeeckt – alles ist heil geblieben.“

Fest für die Ohren

Und an noch etwas hat Klein frühzeitig gedacht: an die Nachbarn. „Ich habe allen gesagt, dass ich eine Übungsorgel mitbringe. Falls es jemanden stört, soll er klingeln.“ Bisher habe sich aber noch niemand beschwert – im Gegenteil. Auch Kleins Frau Renate hat sich noch nie darüber beklagt, dass die Musik zu laut wäre. „Ich höre die Orgel sehr gerne“, sagt sie. „Mein Mann hat 40 Jahre von diesem Instrument geträumt. Dann sollte er sie auch haben.“

Das Wohnzimmer als Kathedrale

Ansonsten hat Michael Klein in Sachen Lärmschutz gut vorgesorgt. Türen und Fenster sind schalldicht, an den Wänden stehen viele Bücher. So stört er niemanden, wenn er seiner großen Leidenschaft nachgeht. „Ich tue einfach so, als wäre ich in der Kirche“, sagt er und schaltet seine Digitalorgel ein. „Wenn man die Augen schließt, dann denkt man, man sitzt in einer großen Kathedrale oder zumindest in einer Dorfkirche.“

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