Glocken der Südostgemeinde gegossen
Rebecca Keller
05.03.2022
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Ein Musikinstrument wird geboren
Vier Glocken für die Südostgemeinde Darmstadt werden bei Rincker in Sinn gegossen
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Es zischt und brodelt, raucht und pufft, Funken sprühen, Flammen lodern – die heiße Metallmasse fließt aus dem Schmelzofen in die gemauerten Kanäle. Fünf Gießer der Firma Rincker leiten in Schutzanzügen den glühenden Strom in seine Bahnen. 1200 Grad heiß ist die heiße Masse aus etwa 80 Prozent Kupfer und 20 Prozent Zinn, die aus dem ölbeheizten Ofen strömt. Durch trichterartige Eingänge fließt sie unter der Erde in Lehmformen - die Glocken sind geboren. Zwei Wochen wird es dauern, bis sie abgekühlt – in der Fachsprache „erfroren“ - sind und aus der Erde freigelegt werden können. Das Lehmmodell, die „falsche Glocke“, stellt Rincker in Handarbeit selbst in einem sechs Wochen dauernden Prozess her.
„Wir gießen ein Musikinstrument“, sagt der Chef Hanns Martin Rincker voller Respekt. Für ihn ist die Glocke die „Königin der Instrumente“. Den Gießvorgang hat der Inhaber der Glockengießerei im nassauischen Sinn mit den Worten „Wir wollen gießen in Gottes Namen“ ehrfürchtig eröffnet. Zuvor hatte Pfarrerin Renate Kluck ein Gebet für alle drei Gemeinden gesprochen, für die an diesem Tag Glocken gegossen wurden: Neben der Darmstädter Südostgemeinde waren das die Evangelische Kirchengemeinde Schildow bei Berlin und die Evangelische St.-Thomas-Gemeinde in Saku, Estland. Hier wird eine neue Kirche gebaut. Auch die Südostgemeinde erhält derzeit einen Neubau, die vier Kirchenglocken sollen in einem separaten Glockenturm auf dem Gelände, auf dem auch die Zentren Bildung sowie Seelsorge und Beratung der EKHN gebaut werden, zum Klingen kommen.
Die Südostgemeinde hat sich vorher intensiv mit den neuen Glocken beschäftigt. Der Glockensachverständige der EKHN, Thomas Wilhelm, hat sie dabei beraten und Vorschläge für die Auswahl der Töne gemacht, die auf den Klang der Glocken der Nachbargemeinden abgestimmt sind. Finanziert werden die Glocken durch eine Spende, die ein Stifter dem Dekanat für die Anschaffung einer Friedensglocke in Darmstadt hat zukommen lassen und die der Südostgemeinde zur Verfügung gestellt wurde.
„Der Spender war ein alter Herr aus Darmstadt, dem es aufgrund seiner Lebensgeschichte ein Herzensanliegen war, eine Glocke zu stiften, die die Menschen zum Frieden ruft“, sagt Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse. „Ich bin ihm sehr dankbar für seine großzügige Spende und für die Gespräche, die wir führen konnten. Leider ist er vor einigen Monaten verstorben. Er hat aber die Klangbeispiele für die künftigen Glocken noch gehört.“ Mit der Spende verbunden war der Wunsch des Stifters, dass auf der Friedensglocke die Seligpreisung Jesu aus der Bergpredigt „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Matthäus 5,9) zu lesen sein möge. Daher entschied die Gemeinde auf Vorschlag von Pfarrer Dr. Thomas Kluck, Vorsitzender des Bauausschusses, auch für die anderen drei Glocken Seligpreisungen als Glockenzier auszuwählen.
So schlagen neben der Friedensglocke mit dem Ton h‘ im neuen Glockenturm an der Heinrichstraße bald auch die Sterbeglocke/Trostglocke mit dem Ton a‘ und der Aufschrift „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“ (Matth. 5, 4), die Vaterunserglocke/Gerechtigkeitsglocke im Ton c‘‘ mit der Zier „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ (Matth. 5, 6) sowie die Taufglocke im Ton d‘‘ mit der Aufschrift „Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.“ (Matth. 5, 8). Die Glocken wiegen zwischen 300 und 600 Kilogramm.
Das Gießerhandwerk hat in Sinn eine lange Tradition. Seit 1590 werden im Familienbetrieb Rincker in Sinn Glocken gegossen, jetzt schon in der 14. Generation. Und es wird weitergehen: Hanns Martin Rinckers Neffe wird den Betrieb übernehmen. Alle zwei bis drei Monate wird freitags gegossen. Während in der Coronazeit die Nachfrage nachgelassen habe, steige sie jetzt wieder an. Mit viel Leidenschaft leitet Hans Martin Rincker, der auch selbst ausbildet, stets das Ereignis eines Glockengusses. Da zitiert der studierte Glockengusstechniker schon gern einmal Schillers „Glocke“. „Es ist heute noch so wie zu Schillers Zeiten“, sagt er.
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