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Buchhandlung an der Stadtmission schließt nach 110 Jahren

DekanatJoachim Keidl

Die Buchhandlung an der Stadtmission hat am 10. Januar zugemacht. Bereits in den vergangenen Jahren hatte Inhaber Joachim Keidl das Sortiment deutlich verkleinert. „Wir sind sehr dankbar für die Zusammenarbeit mit der Buchhandlung“, sagt Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse, „Herr Keidl hat Gemeinden, Einrichtungen und Einzelne im Dekanat stets fachkundig und engagiert beraten.“

Buchhändler mit Leib und Seele
Joachim Keidl schließt seine Buchhandlung an der Stadtmission am 10. Januar

Es war am Ende nicht mehr abzuwenden: Joachim Keidl schließt seine Buchhandlung an der Stadtmission in Darmstadt zum 10. Januar 2020. Bereits in den vergangenen Jahren hatte Keidl das Sortiment deutlich verkleinert – nun muss er ganz aufgeben. „Das wirtschaftliche Risiko war zu groß“, sagt Joachim Keidl. Seine Buchhandlung war nicht nur bei Christen aller Konfessionen ein beliebter Anlaufpunkt. Die größte Auswahl an Bibeln, Losungen und christlicher Literatur bot Joachim Keidl weit und breit, ebenso eine große Auswahl sorgfältig ausgewählter CDs und DVDs, Karten, Kalender und Geschenkartikel.

Gerade auch die fachkundige Beratung von Keidl und seinen Mitarbeiterinnen wurde geschätzt. 1910 eröffnete die Evangelische Stadtmission die Buchhandlung. Seit mehr als 30 Jahren führte Joachim Keidl hier die Geschäfte, bis die Gemeinde ihre Buchhandlung aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr halten konnte. „Wir sind sehr dankbar für die Zusammenarbeit mit der Buchhandlung“, sagt Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse, „Herr Keidl hat Gemeinden, Einrichtungen und Einzelne im Dekanat stets fachkundig und engagiert beraten. Dass die Buchhandlung schließen muss, bedauern wir sehr.“

2013 übernahm der gelernte Verlagsbuchhändler Keidl das Geschäft von der Stadtmission und wurde selbst Inhaber. Viele Ideen hatte er mit seinem eigenen Laden. Bald schlug der pädagogische Zirkus „Hallöchen“ im ersten Stock seine Zelte auf, verkaufte Zirkusmaterialien und Selbstgemachtes von Inhaber Heinz Kiel, einem früheren Pastor, dessen Ehefrau in der Buchhandlung arbeitete. Der Untermieter betrieb auch ein kleines Café - eine ideale Kombination mit dem Buchladen. Es gab gemeinsame Lesungen mit Menü, Vorträge und sogar einen Tangoabend. Doch nach zweieinhalb Jahren gaben beide das gemeinsame Projekt wieder auf. Joachim Keidl betrieb das Café „Erlesen“ zunächst allein weiter.

Doch der Aufwand war zu groß. Nach anderthalb Jahren beendete er den Café-Betrieb und konzentrierte sich ganz auf den Buchverkauf. „Ich habe mich dreimal neu erfunden“, sagt der Sechzigjährige. Mit dem Zirkus, mit dem Café und zuletzt 2017 mit der Verkleinerung des Ladens auf nur noch das Erdgeschoss. „Es war mühsam“, so Joachim Keidl, „es ist einfach ein Job für Idealisten.“

Letztlich blieben immer mehr Kunden weg. Noch vor 20 Jahren kamen bis zu 25.000 Kunden pro Jahr, zuletzt waren es nur noch 8.000, ein Rückgang von 68 Prozent. Jüngere kamen nicht genug nach, die Frequenz „ging linear und in Stufen bergab“, beschreibt es Joachim Keidl, der Barumsatz nahm beständig ab. Auch die ungünstige Lage abseits des Stadtzentrums war da nicht gerade förderlich. Anderen christlichen Buchhandlungen ging es nicht anders, so Keidl. Jetzt ist seine bereits die dritte im Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau nach Frankfurt (Carolus) und Mainz (Alpha), die schließen muss. Das Leseverhalten hat sich nicht zuletzt durch neue Medien verändert, aber auch das Einkaufsverhalten durch das Internet. Auf seiner Website konnten Kunden allerdings seit 20 Jahren weit mehr als nur sein eigenes Sortiment über Nacht bestellen.

Froh war er über sein festes Standbein im Rechnungskundengeschäft mit den Hochschulen in Darmstadt sowie der Zentralbibliothek der EKHN. Außerdem versorgte er  religionspädagogische Bibliotheken im gesamten Rhein-Main-Gebiet mit Büchern und Zeitschriften. Doch auch hier habe sich in den vergangenen Jahren durch Schließung von Bibliotheken und durch die Digitalisierung viel verändert. Eine Unternehmensberatung empfahl ihm, bereits im Sommer 2019 zu schließen, doch er hielt noch ein halbes Jahr länger durch.

Keidl, der vor 40 Jahren bei Herder Verlagsbuchhändler gelernt hat, war durch die Jahrzehnte bis heute „Buchhändler mit Leib und Seele“. Sein Einzugsgebiet erstreckte sich über ganz Südhessen. „Ich hätte gern noch fünf Jahre bis zu meinem Ruhestand weitergemacht“, sagt Joachim Keidl geknickt, „aber das geht in der jetzigen Lage einfach nicht mehr.“ Die gesamte Inneneinrichtung übernimmt ein Mainzer Musikalienhändler. Drei Buchhandlungen haben seine Bibliotheksaufträge übernommen. „Ich hoffe, dass Kollegen in der Umgebung Teile des Sortiments weiterführen“, so Keidl. Dass die eine oder andere Buchhandlung statt seiner die „Losungen 2020“ hinstellt, wäre ebenfalls sein Wunsch.

Beruflich hat Keidl bereits ein neues Standbein gefunden: Er arbeitet seit November mit halber Stelle für die Evangelischen Dekanate Darmstadt-Land und Darmstadt-Stadt, um deren Fusion in der Verwaltung zu begleiten. Ab Februar wird er ehrenamtlich im ökumenischen Kirchenladen im Offenen Haus in Darmstadt mitarbeiten, wo er auch ein kleines Buchsortiment mit Bibeln, Gesangbüchern, Kleinschriften und Karten anbieten möchte. Gern würde er Workshops anbieten, etwa zu Bibelübersetzungen. Außerdem hat er einmal im Monat den Bibliotheksdienst in der Alexander-Haas-Bibliothek der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Darmstadt übernommen und arbeitet bei den Bibliotheksgesprächen mit. „Wir freuen uns, dass Herr Keidl seine Kompetenzen nun an anderen Orten haupt- und ehrenamtlich in die evangelische Kirche einbringt“, so Dekanin Ulrike Schmidt-Hesse.

Am Sonntag, 26. Januar, um 10 Uhr gibt es einen Abschiedsgottesdienst in der Evangelischen Stadtmission, Merckstraße 24, bei dem Joachim Keidl und die Mitarbeiterinnen der Buchhandlung selbst mitwirken.

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