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Senioren

Mit der Fahrrad-Riskscha durchs Seniorenheim

Nils Sandrisser/Evangelische Sonntags-ZeitungKarl-Heinz Bocian tritt in die Pedale, Renate Heß und Helmut Klein lehnen sich zurück und genießen.

Auf Spritztour: In zwei Wiesbadener Seniorenheimen sind die Bewohner in Fahrrad-Rikschas unterwegs.

Nils Sandrisser/Evangelische Sonntags-ZeitungBeim Anfahren hilft ein elektrischer Motor.

Wenn Renate Heß erzählen soll, wie sie ihre erste Fahrt in der Rikscha fand, überlegt sie nicht lange. „Geil!“, platzt es aus ihr heraus. Die 73-Jährige sitzt im Wiesbadener Albert-Schweitzer-Haus, einer Einrichtung für Senioren des Evangelischen Vereins für Innere Mission in Nassau (EVIM), und wartet auf ihre nächste Ausfahrt. Heute geht es auf eine Runde gleich nebenan in den Schlosspark und zu einer Lesung in einem Hinterhof im Stadtteil Biebrich.

In Dänemark sind Rikschas im Seniorenheim Alltag

Seit Ende Mai besitzt der EVIM zwei Fahrrad-Rikschas für seine Seniorenheime in Biebrich und in Schierstein. Die Idee kommt aus Dänemark. Ein Mann namens Ole Kassow war dort auf dem Weg zur Arbeit immer an einem alten Mann vorbeigeradelt, der auf einer Parkbank saß, neben sich einen Rollator. Kassow fragte sich, ob der Mann früher wohl genauso gerne Fahrrad gefahren war wie er heute. Er mietete eine Fahrrad-Rikscha, fuhr zum nächsten Altersheim und lud dessen Bewohner zu einer Spritztour ein. Rikschas sind in dänischen Seniorenheimen heute Alltag, in deutschen aber eher selten.

Karin Klinger hat von Kassows Geschichte im Online-Netzwerk Facebook gelesen und fand sie gleich toll. Anschließend hat sie sich an ihre Arbeit gemacht: Kapital besorgen, denn sie ist  Fundraiserin bei EVIM. Ein gutes halbes Jahr hat es gedauert, dann hatte sie das Geld für die Rikschas zusammen. Die sind nicht billig: Rund 6000 Euro kostet eine. Es sind Einzelanfertigungen. Natürlich aus Dänemark.

Der Fahrgast sitzt vorne

„Die meisten sind erstmal skeptisch, wenn sie das Teil sehen“, erzählt Anna Eisold, die Leiterin der EVIM-Einrichtung. Denn die Fahrgastkabine befindet sich ganz vorn in der Rikscha, der Fahrer sitzt hinten außerhalb des Gesichtsfeldes der Insassen. Das kann bei ihnen schon ein mulmiges Gefühl beim Fahren verursachen. Senioren, die Angst haben herauszufallen, können sich aber in der Kabine anschnallen. Eisold führt das Gefährt vor und tritt in die Pedale. Sie radelt eine Weile, dann ertönt ein Surren. „Ein Elektro-Hilfsmotor“, erklärt sie. „Ganz praktisch beim Anfahren oder bei Steigungen.“

Skepsis, wenn sie denn je welche empfand, hat Renate Heß längst abgelegt. Sie erzählt von ihrer vorangegangenen Tour am Rheinufer, bei der der Fahrer einige Baumwurzeln übersehen hatte und sie ordentlich durchgeschüttelt wurde. „Mein armes Kreuz“, ruft sie, lacht dabei aber herzlich.

Ausnahmegenehmigung für Arzt- und Behördenbesuch nötig

Die Fahrten führen auf Ausflüge durch Biebrich, zu gegenseitigen Besuchen, zu kulturellen Veranstaltungen oder zum Eisessen. Im Schlosspark ist das Fahrradfahren eigentlich nicht erlaubt, eine Ausnahme gibt es nur für einen einzigen Weg. Der EVIM bemüht sich derzeit bei der Stadt um eine besondere Ausnahmegenehmigung. Zum Einkaufen oder zu Arzt- und Behördenbesuchen können die Senioren mit der Rikscha aber nicht. „Sie können dann ja keine Rollstühle oder Rollatoren mitnehmen, die sie dann bräuchten“, erläutert Eisold. 

Wer die Drahtesel steuern will, erhält eine kurze Einweisung, und danach kann es losgehen. Einen Personenbeförderungsschein wie im Taxigewerbe braucht man nicht. Die Rikschas sind wie gemacht für Angehörige, die ihre Mutter oder ihren Onkel besuchen und mit ihnen ein paar Runden drehen wollen.

Freiwillige Riksha-Fahrer werden gesucht

Der EVIM baut derzeit auch einen Stamm von ehrenamtlichen Rikscha-Fahrern auf, drei sind schon dabei. Sie verabreden sich entweder mit den Bewohnern für eine Spritztour oder kommen einfach in einen Wohnbereich und schnappen sich die Senioren, die gerade Lust auf ein bisschen Sonne und Wind um die Nase haben. „Das könnte auch die Generation jüngerer Ehrenamtlicher ansprechen“, hofft Fundraiserin Klinger - denn die meisten Freiwilligen im Seniorenbereich sind selbst schon im Rentenalter.

Karl-Heinz Bocian ist einer der Ehrenamtlichen. Fragt man ihn, warum er regelmäßig aufs Rikscha steigt, antwortet er knapp, aber präzise: „Das ist etwas Gutes, die Bewohner nehmen es dankbar an.“ Mehr braucht es für ihn nicht. „Es geht darum, Senioren teilhaben zu lassen“, erklärt Klinger. So eine dynamische Rikscha-Partie relativiere viele Bilder, die manch einer vom Leben im Altersheim habe.

Bocian nimmt seinen Platz auf dem Sattel der Rikscha ein. Renate Heß sitzt schon in der Fahrgastkabine. Neben ihr nimmt Helmut Klein Platz, 82 Jahre alt. „Auf geht's“, sagt er und klatscht in die Hände.

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