Erster Studientag Leitung und Synode
Mehr Sensibilität für jüdische Tradition gefordert
Esther StoschDavidsstern: Zeichen des jüdischen Glaubens24.09.2016 vr Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
EKHN/RahnErste gemeinsame Studientagung von Kirchensynode und Kirchenleitung 2016Frankfurt a.M. / Darmstadt, 24. September 2016. Mehr Sensibilität für die tiefe Verwurzelung des christlichen Glaubens in der jüdischen Tradition hat der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung gefordert. Nach wie vor werde das Christentum vielfach fälschlicherweise als Überbietung des jüdischen Glaubens verstanden, sagte er beim ersten gemeinsamen Studientag der Kirchensynode und der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau am Samstag (24. September) in Frankfurt am Main. Dagegen stünden die biblischen Überlieferungen, die zeigten, dass „Jesus ganz auf dem Boden des Judentums steht“. Es sei wichtig, mehr von der „Liebesgeschichte Gottes“ mit seinem Volk und der Menschheit zu verstehen und zugleich die Eigenständigkeit des Judentums aus christlicher Perspektive zu respektieren.
Entsetzen über mangelnde Auseinandersetzung
Die Berner Theologieprofessorin Magdalene Frettlöh kritisierte bei der Tagung in Frankfurt, dass sie bei ihren Forschungen mit „Entsetzen“ festgestellt habe, dass sich in Deutschland viele evangelische Landeskirchen nach wie vor einer öffentlichen Neupositionierung zum Judentum verweigerten. So finde sich allein in der Grundordnung der hessen-nassauischen Kirche ein deutlicher Passus mit einem positiven Bekenntnis zum jüdischen Glauben. Wichtig sei jedoch zu begreifen, dass die „Kirche Jesu Christi die Kirche des Juden Jesus ist“. Christinnen und Christen könnten sich aus theologischer Sicht nur als von Gott gesegnet verstehen, weil sie „mit Israel mitgesegnet“ sind. Nach Ansicht Frettlöhs bleiben Christinnen und Christen als Gemeinde Jesu deshalb grundlegend auf die Worte angewiesen, die ihnen der Gott Israels zugesprochen hat.
Warnung vor vorschneller Vereinnahmung
Vor einer zu starken Vereinnahmung des Judentums durch Christinnen und Christen warnte der Baseler Theologieprofessor Reinhold Bernhard. Es sei wichtig, die „Würde der Differenz“ zu wahren. So sei etwa genau zu überlegen, ob es angemessen sei, von einer „jüdisch-christlichen Tradition“ zu sprechen oder beispielsweise Passamahle auf evangelischen Kirchentagen zu feiern. Diese christliche „Umarmungsstrategie“ werde von vielen Juden irritiert wahrgenommen, sagte Bernhardt. Sie begriffen ihre Religion als eigenständig. Bernhardt verwies auf die theologische Überlegung der „radikalen Gnade Gottes“. Sie erlaube es, die Eigenständigkeit und zugleich Verbindung der Religionen zu denken. Demnach habe Gott sich bereits der Welt zugewandt, noch bevor sich die Religionen in ihren einzelnen Ausprägungen gezeigt hätten. Seine Gnade wirke deshalb über die Grenzen von Religionen hinaus und lasse zugleich jeder ihre Einzigartigkeit.
Hintergrund: Neubestimmung des Verhältnisses zum Judentum vor 25 Jahren
Der erste gemeinsame Studientag von Kirchensynode und Kirchenleitung stand ganz im Zeichen der Erweiterung des Grundartikels der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) um ein Bekenntnis zum Judentum vor genau 25 Jahren. 1991 hatte sich die hessen-nassauische Kirche nach einer intensiven Debatte über historische und theologische Dimensionen der christlich begründeten Judenfeindschaft dazu entschlossen, den Grundartikel um einen Abschnitt zu erweitern, der das Verhältnis zum Judentum neu beschreibt. Darin heißt es: „Aus Blindheit und Schuld zur Umkehr gerufen bezeugt sie (die EKHN) neu die bleibende Erwählung der Juden und Gottes Bund mit ihnen. Das Bekenntnis zu Jesus Christus schließt dieses Zeugnis ein.“ In einer Feierstunde auf der bevorstehenden Herbsttagung der Synode vom 23. bis 26. November soll diese wegweisende Entscheidung auch in einer Feierstunde gewürdigt werden.
Mehr zum Thema:
http://www.ekhn.de/glaube/kirchenjahr/9-november/grundartikel-der-ekhn.html
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