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Gedenkstein für deportierte Jüdinnen und Juden

Ein Gedenkstein für die Jüdinnen und Juden, die von Darmstadt aus ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und ermordet wurden, ist neben dem Darmtadtium enthüllt worden. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit hat das "Projekt Theresienstadt" mit der Edith-Stein-Schule, der Wissenschaftsstadt Darmstadt sowie weiteren Unterstützern umgesetzt.

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Nie wieder ist jetzt:
Schuld der Vergangenheit nie vergessen, für Frieden und Gerechtigkeit aufstehen


Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Edith-Stein-Schule und Wissenschaftsstadt Darmstadt enthüllen Gedenkstein für die von Darmstadt aus ins Konzentrationslager Theresienstadt deportierten Jüdinnen und Juden

Die Gedenkbrücke ist nun geschlagen. Am Mittwoch, 3. Juli, wurde das Mahnmal für die im Nationalsozialismus von Darmstadt aus ins Konzentrationslager Theresienstadt deportierten Jüdinnen und Juden enthüllt. Es ist das Gegenstück zu dem Gedenkstein, der seit Februar dieses Jahres im ehemaligen Kolumbarium der Gedenkstätte Theresienstadt hängt. Der Stein in Theresienstadt ist buchstäblich herausgerissen aus dem größeren Teil, das jetzt neben dem Darmstadtium in der Grünanlage zwischen Erich-Ollenhauer-Promenade und Fraunhoferstraße seinen Platz gefunden hat.

„Wie die Jüdinnen und Juden damals als Bürgerinnen und Bürger aus der Gesellschaft herausgerissen wurden“, erklärt Jasmin Marek, eine der Schülerinnen und Schüler der Edith-Stein-Schule (ESS), die im „Projekt Theresienstadt“ mitgewirkt haben, den Zusammenhang beider Gedenksteine. Diese tragen jeweils dieselbe Inschrift: Wir gedenken der jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Darmstadt und Südhessen, die nach Theresienstadt deportiert und ermordet wurden. Wir erinnern an ihr Leben und ihr Leid. Sie dürfen nie vergessen werden. Wissenschaftsstadt Darmstadt | Edith-Stein-Schule Darmstadt | Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt e.V.

Zu der Enthüllung mit Kranzniederlegung hatten die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) Darmstadt, die das Projekt initiiert hat, gemeinsam mit der Wissenschaftsstadt Darmstadt und der Edith-Stein-Schule eingeladen. Ulrike Schmidt-Hesse, evangelische Vorsitzende der GCJZ, führte ein und moderierte die Veranstaltung, die bei Regen bis zur Enthüllung unter dem Dach des Darmstadtiums stattfand. Bernd Lülsdorf, katholischer Vorsitzender der GCJZ, spielte Lieder von Ilse Weber auf dem Akkordeon. Ilse Weber war eine jüdische Schriftstellerin und Lyrikerin, die im KZ Theresienstadt als Krankenschwester arbeitete und in Auschwitz ermordet wurde. Marieke Mattes, Schülerin der ESS, trug den Text des Liedes „Ich wandre durch Theresienstadt“ vor.

Oberbürgermeister Hanno Benz würdigte die Leistung der Schülerinnen und Schüler, mit Unterstützung das Doppelmahnmal zu entwerfen, darüber hinaus noch ein Magazin und einen Film zu produzieren. Er dankte ihnen und der Edith-Stein-Schule sowie der GCJZ dafür. Die Schülerinnen und Schüler hätten der Stadt ein wichtiges Geschenk gemacht, das er schützen wolle. Benz nannte bedrückende Zahlen: Mehr als 3000 Menschen wurden von Darmstadt aus in Todeslager deportiert, am 27. September 1942 allein 1288 Jüdinnen und Juden nach Theresienstadt. Seit Jahrhunderten gebe es Antisemitismus, der nach dem Zweiten Weltkrieg nicht beendet war – bis heute. Nach dem 7. Oktober 2023, dem grausamen Anschlag der Hamas auf Israel, seien die Folgen auch in Deutschland zu spüren. „Auch Darmstadt ist keine Insel der Glückseligen“, sagte Benz und wies auf antisemitische Schmierereien und die zwei gestohlenen Israel-Flaggen hin. So gebe es jetzt in Darmstadt das Amt des oder der Antisemitismusbeauftragten. „Jüdisches Leben gehört zu Darmstadt und muss ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft sein“, so Hanno Benz, seit einem Jahr Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt.

Daniel Neumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Darmstadt, erinnerte an die Geiseln, die nach sieben Monaten immer noch in der Gewalt der Hamas seien und sich nach Hause sehnten – wie die Jüdinnen und Juden damals. Er verteidigte die Politik Israels, der Staat könne nicht anders handeln, um seine Existenz zu schützen. Heute komme der Hass gegen Juden aus allen Richtungen. Er wünschte, dass „Nie wieder ist jetzt“ keine hohle Phrase sei, sondern „in lebendiges Handeln gegossene Realität“.

Doris Krumpholz, Direktorin der Edith-Stein-Schule, sieht die Botschaft „Nie wieder ist jetzt“ als Verpflichtung an. Sie hob hervor, dass die Schülerinnen und Schüler durch das Projekt Theresienstadt einen emotionalen Zugang zu den Geschehnissen des Dritten Reiches erhalten hätten. Das Eintauchen in die damalige Situation in Theresienstadt – zweimal waren sie dort – sei weit über das rationale Erinnern hinausgegangen. Erinnerungsarbeit sei anstrengend, stärke aber für die Zukunft. Das Projekt habe die Schülerinnen und Schüler gestärkt, für demokratischen Widerstand und gegen Extremismus einzutreten.

Als endgültigen Abschluss der Theresienstadt-Reise bezeichnete die Schülerin Tilia Ennemoser die Aufstellung des Mahnmals in Darmstadt. „Das Projekt ging unter die Haut“, berichtete auch Annika Rauchmann. Angesichts des unsäglichen Leides und der Grausamkeit sei sie dankbar für ihr Leben heute und die Freiheit. Der Gedenkstein mahne, die Schuld der Vergangenheit nie zu vergessen und für Frieden und Gerechtigkeit aufzustehen. Jasmin Marek erinnerte an den jüdischen Brauch, Steine zum Gedenken auf Grabsteine zu legen. So wie die Schülerinnen und Schüler auf den Gedenkstein in Theresienstadt mitgebrachte Steine aus Darmstadt legten, legten sie nun auch auf den Gedenkstein in Darmstadt Steine aus Theresienstadt.

Bernd Lülsdorf berichtete noch einmal von dem Werdegang des Projekts und dankte allen Beteiligten, in dem er sie nach vorn bat. Anschließend – der Regen hatte nachgelassen – enthüllten Hanno Benz, Bernd Lülsdorf und die Schülerin Amelie Neumann den Gedenkstein. Benz und Stadtverordnetenvorsteher Yücel Akdeniz legten einen Kranz nieder. Neben den Edith-Stein-Schülerinnen und -Schülern legten auch viele weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung nach jüdischer Tradition kleine Steine auf dem Gedenkstein ab. Ulrike Schmidt-Hesse leitete danach eine Schweigeminute zum Gedenken an die Deportierten ein. Abschließend dankte sie noch einmal allen Beteiligten an dem Projekt und an der Enthüllungsfeier.

„Lassen Sie uns nicht bei der Erinnerung stehenbleiben, sondern heute Verantwortung übernehmen“, so die frühere Darmstädter Dekanin, „ich hoffe, dass der Gedenkstein viele Menschen mahnt und herausfordert zum Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus und für Demokratie, Respekt und Mitmenschlichkeit.“ Zum Schluss spielte Bernd Lülsdorf noch ein Lied von Ilse Weber auf dem Akkordeon: Dobry den – Guten Tag, Herr, segne uns.

Hintergrund:

Die GCJZ Darmstadt hatte das Projekt Theresienstadt mit der Edith-Stein-Schule zusammen mit der Stadt Darmstadt ins Leben gerufen. Oberstufenschülerinnen und -schüler der Edith-Stein-Schule Darmstadt hatten im Frühjahr 2023 mit Lehrkräften die Gedenkstätte Theresienstadt besucht. Über das Leiden der Darmstädter Opfer recherchierten sie darüber hinaus auch mit Unterstützung der Alexander-Haas-Bibliothek, des Arbeitskreises Stolpersteine und des Hessischen Staatsarchivs.

Anschließend entwickelten sie Entwürfe für einen Gedenkstein und eine Gedenktafel, die an das Leid der Menschen erinnern sollen. Es entstanden zudem das Magazin „Theresienstadt – Aus Zahlen werden Namen“ sowie das Video „Projekt Theresienstadt“. Am 20. Dezember 2023 beschloss der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt, ein Mahnmal zum Gedenken an die von Darmstadt aus ins Konzentrationslager Theresienstadt deportierten Jüdinnen und Juden zu errichten.

Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt e.V. hatte Trägerschaft, Koordination und Geschäftsführung des Projekts übernommen. Dieses wurde darüber hinaus unterstützt vom Arbeitskreis Stolpersteine, dem Staatsarchiv, der Alexander-Haas-Bibliothek und der Stadtverwaltung. Zur Finanzierung tragen „Demokratie leben“, die GCJZ sowie folgende Stiftungen und Sponsoren bei: Edith-Stein-Stiftung, EKHN-Stiftung - Kulturstiftung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Hessische Landeszentrale für politische Bildung, Martin-Buber-Stiftung.

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