Schulstart
Einschulung als Event?
Bild: © 2019 Getty Images, Ralf Geithe
07.08.2019
epd
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"Unserem Felix gratulieren wir heute sehr, Dir fällt die Schule ganz bestimmt nicht schwer." Herzliche Worte gibt es von den Eltern für ihren kleinen Felix, der ab sofort gar nicht mehr so klein ist. Er geht am Montag zum ersten Mal in die Schule, so wie 54.000 andere Erstklässler in Hessen und 34.750 in Rheinland-Pfalz.
Farbige Anzeigen mit Bild und lieben Grüßen zum ersten Schultag sind mittlerweile zumindest in Lokalzeitungen weit verbreitet. Auch die Einschulung selbst wird prominenter gefeiert. Da wo es früher noch eine bunt gefüllte Schultüte mit Glitzer-Bleistift und Schokoriegel gab, erwartet die Schüler heute darüber hinaus ein wahres Event.
Einschulungs-Feier gewinnt an Bedeutung
Der Lebensabschnitt der Einschulung gewinnt seit etwa 25 Jahren immer mehr an Bedeutung, beobachtet auch der Religionspädagoge David Käbisch von der Goethe-Universität Frankfurt. In theologisch-wissenschaftlichen Kreisen spricht man sogar von einer zusätzlichen Kasualie neben Taufe, Hochzeit und Trauerfeier. Kasualie, das heißt für Käbisch ein Ritual an einem Wendepunkt des Lebens. Der Schulbeginn ist eine solche Wende, sowohl für die Kinder als auch für die Eltern.
Sorge der Eltern um den nächsten Lebensabschnitt der Kinder
Die Einschulung wird nach den Worten von Käbisch vor allem von den Eltern als größerer Einschnitt empfunden. Mutter und Vater gehen viele Fragen durch den Kopf, wie "kann ich mein Kind wirklich alleine lassen? Kümmern sich die Lehrer auch gut um mein Kind?" Genau das liegt mit Beginn der Einschulung nicht mehr länger in den Händen der Eltern, deswegen wird das Bedürfnis nach Gottes Segen stärker, erklärt Käbisch.
Wunsch nach Selbstdarstellung beeinflusst manche Feiern
Der Religionspädagoge begrüßt es zwar, dass die Einschulung eine Art neue Kasualie etabliert habe, die Stühle in der Kirche beim Einschulungsgottesdienst alle besetzt sind und Religion anscheinend doch nicht so ganz aus dem Leben der Menschen verschwunden ist. Dennoch kritisch sieht er den dahinterliegenden Trend zur Selbstinszenierung. Ähnlich wie bei Hochzeiten, bei denen heute ein "Weddingplaner" zum guten Stil gehört, steht auch die Einschulung immer mehr im Scheinwerferlicht.
Erwartungsdruck verpackt in Aufmerksamkeiten
Diesen Trend der Selbstdarstellung findet auch die Schulpsychologin Petra Schuster-Böck problematisch, die an 17 Schulen im Landkreis Fulda arbeitet. Kinder, deren Eltern sich nicht das neuste Schulranzen-Modell für ihren Sprössling leisten können, würden somit von Anfang an ausgeschlossen. Auch wenn die netten Anzeigen, wie für den kleinen Felix, von den Eltern eigentlich nur gut gemeint seien, "kann das auch Druck auf die Schüler ausüben, Leistung zu bringen", warnt die Pyschologin.
Entlasten und integrieren
Für die Kirche kommt das steigende Interesse einer großen Feier zur Einschulung zu Gute, birgt aber auch Herausforderungen wie Käbisch erklärt. Zum einen spricht er von einem "Mangel an religiöser Bildung". Das heißt: Oftmals seien Lieder und Gebetstexte den Kindern und Eltern nicht mehr geläufig, zum anderen verweist er auf die steigende Zahl von Schülern anderer Religionen, wie etwa Muslimen.
Wenn Kirche das Event der Einschulung weiterhin mitgestalten will, müsse der Einschulungsgottesdienst nach den Worten von Käbisch eine "entlastende" und "integrierende" Funktion haben: entlastend, um Kindern und Lehrern den Übergang in diesen neuen, wichtigen Lebensabschnitt zu erleichtern. Und integrierend, um zwischen allen Schülern das Gefühl einer Gemeinschaft entstehen zu lassen.
mehr über Einschulungsgottesdienste
[Carina Dobra]
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